Autoimmun­erkrankungen

Wenn das Immunsystem Autoantikörper bildet, die sich irrtümlicherweise gegen körpereigene Strukturen richten und nicht gegen körperfremde wie bspw. Viren, spricht man von einer Autoimmunerkrankung.

Das intakte Immunsystem des Menschen schützt den Körper auf vielfältige Weise vor Krankheitserregern wie Viren, Bakterien oder Pilzen. Eine besondere Aufgabe nehmen hierbei spezifische Antikörper (auch Immunglobuline) ein, die von B-Zellen gebildet werden. Diese Antikörper dienen dazu, die körperfremden Erreger zielgerichtet zu bekämpfen. Im Falle einer Autoimmunerkrankung richten sich die Antikörper jedoch irrtümlicherweise gegen körpereigene Strukturen – solche Antikörper werden Autoantikörper genannt (griech. autos = selbst). Verschiedene Fehlregulationen des Immunsystems sind Grund für die Bildung von Autoantikörpern. Die Folge ist eine unkontrollierbare Zerstörung der eigenen Zellen und Gewebestrukturen. Eine solche krankhafte Fehlregulation des Immunsystems findet sich in zahlreichen neurologischen, hämatologischen und dermatologischen Erkrankungen wieder.

Die Entstehung der Autoantikörper kann genetischen Ursprungs, infektionsbedingt oder durch bestimmte Arzneimittel ausgelöst sein.

Autoantikörper

Autoantikörper

Hier finden Sie Antworten auf folgende Fragen:

• Wo kommen Sie her?

• Was machen Autoantikörper?

• Wir wirken Antikörper gegen Autoantikörper?

• Wie funktioniert die Fab-abhängige Modulation?

• Wie funktioniert die Fc-abhängige Modulation?

Wo kommen Sie her?

Immunglobuline werden innerhalb des spezifischen Immunsystems von einem bestimmten Typ weißer Blutkörperchen, den sogenannten B-Zellen oder Plasmazellen, produziert. Diese Zellen sind in der Lage eine Vielzahl von verschiedenen Antikörpern herzustellen, die maßgeschneidert gegen den jeweiligen Erreger gerichtet sind oder regulatorisch auf das Immunsystem einwirken. Bei einer Fehlregulation des Immunsystems werden schadhafte Antikörper gebildet, die Autoantikörper genannt werden.

Übrigens: Das B in „B-Zellen“ zeigt an, wo diese Zellen ihren Ursprung haben: Sie stammen aus dem Knochenmark (Bone marrow).

Was machen Autoantikörper?

Autoantikörper richten sich gegen körpereigene Strukturen und lösen die Zerstörung dieser aus. Die Bandbreite an Erkrankungen, die durch diese Fehlregulation des Immunsystems entsteht, ist sehr groß. Bei derartigen Autoimmunerkrankungen ist es möglich Immunglobuline, die aus dem Plasma gesunder Spender isoliert werden, einzusetzen. Die verabreichten Immunglobuline greifen regulatorisch in das gestörte Immunsystem ein. Es gibt eine Vielzahl an Hypothesen, die die immunmodulatorische Wirkung von Immunglobulinen beschreiben. Derzeit wird diskutiert, dass die einzelnen Wirkmechanismen synergistisch ablaufen.

Wir wirken Antikörper gegen Autoantikörper?

Die immunmodulatorischen Eigenschaften von Antikörpern können einer Fehlregulationen des Immunsystems entgegenwirken. Die Immunreaktion wird reguliert, so dass das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht kommt. Sowohl der konstante Part (Fc) als auch der variable Part (Fab) eines Immunglobulins können immunmodulatorisch wirken.

Wie funktioniert die Fab-abhängige Modulation?

In Hinblick auf den variablen Teil von Immunglobulinen (Fab), kann es zu einer direkten Neutralisierung von Autoantikörpern, Proteinen oder dem Komplementsystem (1 und 3) kommen. Es ist zudem denkbar, dass Immunglobuline inhibierend oder aktivierend auf T-Helfer-Zellen wirken (2) oder die Vermehrung von regulatorischen T-Zellen initiieren (4).

Wie funktioniert die Fc-abhängige Modulation?

In Hinblick auf den konstanten Teil von Immunglobulinen (Fc), kann es durch die Bindung des Immunglobulins an die B-Zelle, die die schadhaften Autoantikörper produziert, zur Beendigung oder Abschwächung der Produktion von Autoantikörpern kommen (1). Zusätzlich kann auch die Zerstörung der Autoantikörper (2, endosomale Degradation) oder die Bildung inhibitorischer oder aktivierender Bindestellen auf B-Zellen initiiert werden (3).

Welche Arten von Autoimmunerkankungen gibt es?

Neurologische Erkrankungen

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akute Erkrankung, bei der es zu entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems kommt. Die Erkrankung tritt häufig nach einer vorangegangenen Infektion auf. Ca. 1 – 2 Personen pro 100.000 erkranken an GBS, unabhängig des Alters. Ist ein Mensch an GBS erkrankt, attackiert sein Immunsystem den isolierenden Schutzmantel (Myelinscheide) oder die weiterleitenden Strukturen (Axone) der Nerven, so dass die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel gestört wird. Übliche Symptome sind Kribbeln, Schmerzen und Taubheitsgefühle an den Gliedmaßen, fortschreitende Schwäche in den Extremitäten oder Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken. Im schlimmsten Fall führt das GBS zu Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen oder lebensbedrohlichen Atemlähmungen. Durch die Verwendung von Immunglobulinen kann der Krankheitsverlauf verkürzt und die Erholung beschleunigt werden. Eine nachgeschaltete Rehabilitationsphase wird empfohlen. Die Standarddosis für IVIg beträgt 0,4 g/kg an 5 aufeinanderfolgenden Tagen oder alternativ 1 g/kg an 2 Tagen.

Die chronisch inflammatorische demyeliniserende Polyneuropathie (CIDP) wird auch als chronische Form des Guillian-Barré-Syndroms bezeichnet. Ca. 1 – 9 Personen pro 100.000 Menschen erkranken an CIDP. Ist ein Mensch an CIDP erkrankt, greift sein Immunsystem den isolierenden Schutzmantel (Myelinscheide) oder die weiterleitenden Strukturen (Axone) der Nerven an, so dass die Signalübertragung vom Nerv zum Muskel gestört bzw. verlangsamt wird. Übliche Symptome sind Kribbeln und Taubheitsgefühle an den Gliedmaßen, langsam fortschreitende symmetrische Schwäche in den Extremitäten. Durch die Verwendung von Immunglobulinen kann der Krankheitsverlauf verkürzt und die Erholung beschleunigt werden. Die Standarddosis für IVIg beträgt insgesamt 2 g/kg als Initialdosis über 2–5 Tage, gefolgt von Erhaltungsdosen von insgesamt 1 g/kg über 1–3 Tage alle 3 Wochen.

Die multifokale motorische Neuropathie (MMN) ist eine erworbene Erkrankung, die sich durch eine langsam fortschreitende Muskelschwäche bemerkbar macht. Ca. 6 Personen von 1.000.000 Personen erkranken an MMN. Im Vergleich zur CIDP verläuft die MMN asymmetrisch, d.h. entweder die linke oder die rechte Körperhälfte ist beeinträchtigt. Bei der MMN wird die Ummantelung der Nervenfasern fälschlicherweise durch Autoantikörper angegriffen, so dass die Reizweiterleitung behindert wird. Um das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, können Immunglobuline verabreicht werden. Die Initialdosis liegt bei 2 g/kg Körpergewicht über 2 – 5 Tage. Bei positivem Ansprechen wird eine Erhaltungsdosis von insgesamt 1 g/kg Körpergewicht alle 2 – 4 Wochen oder 2 g/kg Körpergewicht alle 4 – 8 Wochen empfohlen. Die benötigte Dosis und die benötigten Intervalle variieren bei MMN-Patienten stark. Therapien mit Kortikosteroiden oder das Plasma-Austausch-Verfahren sind nicht empfohlen.

Myasthenia gravis ist eine autoimmunbedingte, neurologische Erkrankung, die durch eine Muskelschwäche oder auch den Ausfall einzelner Muskeln gekennzeichnet ist. Ca. 0,2 – 2,0 pro 100.000 Personen erkranken an Myasthenia gravis. Die Ursache der Myasthenia gravis ist eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskel. Am häufigsten wird diese neuromuskuläre Übertragungsstörung durch Autoantikörper ausgelöst, die die Signalweiterleitung an der motorischen Endplatte, also am Muskel, blockieren. Die Muskelschwäche kann spontan auftreten, wird typischerweise unter Belastung schlechter und kann sich nach einer Erholungsphase wieder zurückbilden. Um die Intensivbehandlungsdauer zu vermeiden oder zu verkürzen und den Myasthenia-Muskel-Score (klinischer Score zur Beurteilung des Schweregrads der Myasthenia gravis) zu verbessern, können Immunglobuline intravenös verabreicht werden. Die Dosierungsempfehlung liegt bei 1 g/kg Körpergewicht über 2 Tage oder 0,4 g/kg Körpergewicht an 5 aufeinander folgenden Tagen.

Hämatologische Erkrankungen

Ein Beispiel für eine Autoimmunerkrankung im hämatologischen Bereich ist die Immunthrombozytopenie (ITP), bei der die Blutplättchen (Thrombozyten) durch Autoantikörper zerstört werden. Dies führt zu einer Verringerung der Anzahl der Blutplättchen und damit einhergehend zu einer erhöhten Blutungsneigung. Durch die Behandlung mit intravenösen verabreichten Immunglobulinen wird die fehlregulierte Immunreaktion ins Gleichgewicht gebracht, der unkontrollierte Abbau der Blutplättchen verhindert.

Weitere Informationen finden Sie unter www.info-itp.de.

Das Kawasaki-Syndrom ist eine akute, systemische Erkrankung, die sich häufig innerhalb eines Monats selbst limitiert. Das Syndrom betrifft überwiegend Kleinkinder: ca. 7 von 100.000 Kindern unter 5 Jahren (in Deutschland) entwickeln dieses Syndrom. Es ist charakterisiert durch Entzündungen der Blutgefäße und wird vermutlich durch eine vorangegangene Infektion ausgelöst. Symptome des Kawasaki-Syndroms sind anhaltendes Fieber, die „Erdbeerzunge“ (trockene, glänzend rote Zunge), Bindehautentzündung, juckender Hautausschlag und schmerzhafte Schwellungen im Bereich der Handflächen und Fußsohlen. Die initiale Akuttherapie besteht aus der Gabe von IVIg (2g pro kg Körpergewicht über 10 – 12 Stunden) gemeinsam mit Acetylsalicylsäure.

Dermatologische Erkrankungen

Die meisten Myositiden äußern sich durch Kraftverlust, vor allem an der rumpfnahen Muskulatur mit zunehmender Schwäche bis hin zu Muskelschwund. Darüber hinaus kann es zu Schluckstörungen und zur Beeinträchtigung der Atmung kommen. Die genauen Ursachen sind ungeklärt, Autoimmunvorgänge spielen aber eine wesentliche Rolle. Myostiden sind selten – die Inzidenz aller drei Formen (Dermatomyositis, Polymyositis und Einschlusskörper-Myositis) liegt zusammen bei 1/100.000 Menschen.

Die toxische epidermale Nekrolyse ist eine sehr seltene dermatologische, akute und lebensbedrohliche Krankheit, die durch eine großflächige Ablösung der Haut gekennzeichnet ist. Verursacht wird diese Erkrankung meist durch Reaktionen oder Unverträglichkeiten bestimmter Medikamente.

Pemphigus vulgaris ist eine sehr seltene dermatologische Erkrankung, die durch die Bildung von Blasen –vorwiegend im Mundbereich– an der Haut gekennzeichnet ist. Diese Blasen sind empfindlich, platzen leicht auf und verursachen schmerzhafte Läsionen.

Wie können Autoimmunkrankheiten behandelt werden?

Ziel der Therapie ist es, die Vorgänge, die dazu führen, dass schädliche Autoantikörper produziert werden, abzuschwächen oder die Autoimmunreaktion gänzlich zu beenden. Welche Substanzen zum Einsatz kommen, ist abhängig von der Art und Schwere der Autoimmunerkrankung. Üblicherweise stehen Immunmodulatoren und Immunsuppressiva zur Auswahl.

Immunsuppressiva, z.B. Kortikosteroide, unterdrücken das Immunsystem gänzlich, d.h. sie hemmen nicht nur die zu behandelnde Autoimmunreaktion, sondern auch die gewöhnliche Abwehrreaktion gegen eindringende Erreger, denen wir alle täglich ausgesetzt sind. Bei einer Behandlung mit Immunsuppressiva sollte daher stets an die daraus resultierende reduzierte Infektabwehr gedacht werden.

Zu den Immunmodulatoren gehören bspw. Immunglobuline, die aus dem Plasma zahlreicher gesunder humaner Spender gewonnen werden. Sie können die Vorgänge des Immunsystems moderat beeinflussen und bestehenden Fehlregulationen entgegenwirken – ohne, dass es gehemmt wird. Zudem wird die gewöhnliche Infektabwehr nicht unterdrückt, sondern durch die zugeführten Antikörper zusätzlich unterstützt (passive Immunisierung).

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